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Freitag, 25. Oktober 2019

«Der Bursche ist eine Katastrophe» – wie Thomas Mann in Amerika gegen Hitler kämpfte / Thomas Ribi. NZZ 25.10.2019

«Merkwürdiger Tag», notierte Thomas Mann am 23. Juni 1944 in sein Tagebuch. Kurz nach sieben war er aufgestanden und gleich nach dem Frühstück nach Los Angeles gefahren, ins New Federal Building. Zusammen mit seiner Frau Katia natürlich, aber das erwähnt er nicht einmal. Dort nahm das Prozedere seinen Gang, auf das er lange gewartet hatte. «Nach einigen Umständlichkeiten» freilich, wie Mann bemerkt, und man glaubt aus den Notizen die leichte Nervosität zu spüren, die den bald Siebzigjährigen dabei erfasste. Das Wesentliche schildert er nur in Stichworten: «Eintritt in den vollbesetzten Saal. Anweisungen durch Beamte erteilt, Ansprache des Judge. Eidesleistung. Unterzeichnung der Einbürgerungspapiere.»
«So denn also amerikanische Bürger», resümiert er auf der Tagebuchseite, einem der zentralen Exponate der Ausstellung «Thomas Mann in Amerika», die zurzeit im Museum Strauhof in Zürich zu sehen ist. Das Ereignis bewegte nicht nur ihn. Unmittelbar nach der Einbürgerung wurde Mann um Interviews gebeten, die Presse veröffentlichte Bilder des Schriftstellers, der zum Mittelpunkt der deutschsprachigen Exilanten und Sprachrohr des geistigen Widerstands gegen das Hitlerregime geworden war. Seine Stimme war den Amerikanern vertraut, und sie hatte Gewicht. Schon vor seiner Übersiedlung, im Frühling 1938, hatte Thomas Mann eine Vortragstournee durch das Land gemacht. «Vom zukünftigen Sieg der Demokratie» hatte er gesprochen und den nationalsozialistischen Unrechtsstaat in scharfen Worten kritisiert. Rund 40 000 Menschen dürften diese Rede gehört haben.
Thomas Mann, der Nobelpreisträger, Autor der «Buddenbrooks», des «Zauberbergs» und des bereits zur stattlichen Trilogie herangewachsenen «Joseph»-Romans, war zum politischen Schriftsteller geworden. Eine Rolle, die er nicht gesucht hatte und die ihm auch nicht ganz behagte, trotz den öffentlichen Ehren, die damit verbunden waren. «Ins Politische bin ich einzig und allein durch die Umstände getrieben worden, sehr gegen meine Natur und meinen Willen», schrieb er vor der grossen Amerikareise. Und das war sicher nicht falsch. Noch während der Arbeit am Essay über den Sieg der Demokratie heisst es in einem Brief an René Schickele: «Finden Sie nicht, dass diese ästhetischen Probleme im Grunde viel interessanter sind und uns natürlicher als alle Politik?» ... [mehr] https://www.nzz.ch/feuilleton/deutsche-hoerer-wie-thomas-mann-in-amerika-gegen-hitler-kaempfte-ld.1517572

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