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Freitag, 30. November 2018

Provenienzforschung im Kunstmuseum Stuttgart

Seit Juli 2014 gibt es im Kunstmuseum Stuttgart die Provenienzforschung. Sie untersucht einerseits mit wissenschaftlichen Methoden die Herkunftsgeschichte und Eigentümerwechsel jener Kunstwerke, die Eigentum der Stadt Stuttgart und des Kunstmuseum Stuttgart sind, und prüft andererseits, ob sich in den Sammlungen NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter befinden. Seit Dezember 2017, mit der Fortsetzung des Provenienzforschungsprojekts, wird zugleich auch die Institutionen- und Sammlungsgeschichte der Städtischen Galerie Stuttgart / ab 1961 der Galerie der Stadt Stuttgart – den Vorläufern des Kunstmuseum Stuttgart – erforscht.   
Das Kunstmuseum Stuttgart sieht sich den Zielen der Washington Principles von 1998 und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, vom Dezember 1999 verpflichtet.
Das Fernziel der Provenienzforschung im Kunstmuseum Stuttgart ist, die im Zeitraum 1933–1945 und seit 1945 erworbenen Kunstwerke zu überprüfen. Bei Berücksichtigung aller in der Sammlung vorhandenen Gattungen handelt es sich dabei um mindestens 3000 Kunstwerke, davon etwa 800 Gemälde, 700 Zeichnungen, 400 Aquarelle, 200 Pastelle, 600 Radierungen, 150 Lithografien, 50 Holz-/Linolschnitte und 20 Plastiken.
Dank der finanziellen Sicherung zunächst über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung, dann mit Hilfe der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste konnte vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2017 das erste Provenienzforschungsprojekt erfolgreich durchgeführt werden. Dieses Projekt widmete sich vornehmlich rund 30 Gemälden von Otto Dix und etwa 400 Gemälden aus dem Erwerbungszeitraum 1933–1945. Für fast ein Viertel dieses untersuchten Bestandes konnte die Provenienz eindeutig geklärt werden. Seit 1. Dezember 2017 wird mit dem zweiten Provenienzforschungsprojekt, das mit Unterstützung der Stadt Stuttgart finanziert wird, die Arbeit fortgesetzt. 

Das Kunstmuseum Stuttgart ist ein relativ junges Museum, doch seine Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte ist komplex und kompliziert. Die Geschichte seiner Vorläuferinstitutionen und vor allem die Geschichte der städtischen Sammlung der Stadt Stuttgart im Nationalsozialismus sind bis jetzt nicht wissenschaftlich-systematisch erforscht worden. Dies geschieht nun parallel zur Provenienzforschung. Damit wird über die Bestandsuntersuchung hinaus auch die notwendige Kontextforschung zur Entwicklungsgeschichte der Institution und seiner Sammlungen geleistet. Die Forschungen sind jedoch schwierig und langwierig wegen eines äußerst fragmentarischen Aktenbestandes und einer sehr lückenhaften Quellenlage. Letztere ist u. a. bedingt durch die eigentümliche Entwicklungsgeschichte der städtischen Kunstsammlung Stuttgart im Zeitraum 1924–1961.
Sieben Gemälde hat das Kunstmuseum Stuttgart als Fundmeldungen in die Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste einstellen lassen, darunter ein Frühwerk des niederländischen Landschaftsmalers Meindert Hobbema (1638–1709) und ein Historienbild des niederländischen Künstlers Philip van Dyk (1683–1753). Beide Gemälde gehörten zu den teuersten Nachkriegserwerbungen. Sie wurden von der Stadt für 400.000 RM von einem Kunsthändler gekauft, der im Verdacht steht, am NS-Kulturraub beteiligt gewesen zu sein.

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