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Freitag, 30. November 2018

Website informiert über Leben und Wirken Gertrud Grunows

Zum Anlass des 100jährigen Bauhaus-Jubiläums 2019 haben Dr. des. Linn Burchert, Kunst- und Kulturwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), sowie die Weimarer Kunstpädagogin Gabriele Fecher ein Projekt initiiert, um die Bauhauslehrerin Gertrud Grunow in der Wissenschaft sowie der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen – mit einer Online-Plattform und einer Open-Access-Publikation.
Gertrud Grunow gestaltete als ausgebildete Musikpädagogin mit ihrer „Harmonisierungslehre“ zwischen Herbst 1919 und Frühjahr 1924 maßgeblich die sogenannte Vorlehre am Bauhaus mit. Grunows Unterricht absolvierten alle Schülerinnen und Schüler, bevor sie in die spezialisierten Werkstätten aufgenommen werden konnten. Im Vordergrund der Lehre stand das Ziel, Körper und Seele durch Imagination, Bewegung und Atem in Einklang zu bringen sowie für Töne, Farben, Formen und Materialitäten zu sensibilisieren. Grunow schrieb zudem Evaluationen, die zur Entscheidung über die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler an der Schule beitrugen. Die Webseite informiert grundlegend über Leben und Wirken Grunows, stellt eine kritische Bibliographie bereit und wird fortlaufend aktualisiert: Forschende, Kulturschaffende sowie alle, die sich mit Grunow beschäftigen, können auf dieser Plattform ihre Projekte und Publikationen bekanntgeben. Auf der Webseite wurde zudem der bislang einzige Film über Grunow veröffentlicht: Diesen hat Gabriele Fecher 2009 mit dem Schweizer Literaturwissenschaftler und Zeitzeugen René Radrizzani erstellt.
Ziel der Webseite ist es, den aktuellen Forschungsstand, aber auch offene Fragen zur Diskussion zu stellen. In einem frei verfügbaren E-Book präsentiert Burchert ihre Forschungsergebnisse. Dazu hat sie bislang unveröffentlichtes Archivmaterial gesichtet und Fragen der Authentizität von Quellen geklärt. So entspinnt sich um den vermeintlichen Grunow-Text „Der Gleichgewichtskreis“ (hrsg. 2001) ein problematischer Fall: Kurz vor ihrem Tod hatte Grunow all ihre Manuskripte an ihren ehemaligen Bauhaus-Schüler Gerhard Schunke übergeben, der diese allerdings nie wie geplant unter ihrem Namen veröffentlichte, sondern überarbeitete und für die eigenen Zwecke verwendete. Die Veröffentlichung „Der Gleichgewichtskreis“ stammt dementsprechend in Teilen von Schunke. Unter Bauhaus-Expertinnen und Experten ist diese Kontroverse bekannt, erst jetzt konnte sie auf Basis von neu gehobenem Briefmaterial durch Burchert aber weitestgehend geklärt werden.

Einen besonderen Fokus legt die HU-Wissenschaftlerin außerdem auf die Beziehungen zu zentralen Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft und Philosophie der Zeit: Dazu gehören etwa die Bauhäusler Johannes Itten und Lothar Schreyer sowie der Entwicklungspsychologe Heinz Werner, mit dem Grunow in den späten 1920er Jahren zusammenarbeitete, um Wahrnehmung und Synästhesie zu erforschen. Nicht nur hier herrscht weiterer Forschungsbedarf, auch Grunows Bezügen zum Kreis um Aby Warburg sowie Ernst Cassirer ist bislang nicht ausreichend nachgegangen worden. Zu diesen und anderen Auseinandersetzungen laden Publikation und Webseite ein.

Originalpublikation (Open Access)

Website zu Gertrud Grunow

via https://idw-online.de/de/news707105

A Close-Reading of The Talented Mr. Ripley as Coming of Age Story / Emily Temple. In: Lit Hub Daily November 30, 2018

Patricia Highsmith’s The Talented Mr. Ripley was published on November 30, 1955, 63 years ago today. It is, in my opinion, the perfect winter holiday book. It’s acrobatic and addictive reading, the prose sharp-edged and wry and sometimes quite pretty, and also it’s about warm weather and beautiful people, at least one of whom is decidedly amoral but perplexingly sympathetic. This, of course, is Tom Ripley, a small-time con-man who stumbles into a new life—one he will literally kill to keep. You probably know Tom, even if it’s only because you’ve seen the movie. If you haven’t, go away and read the book, and then watch the movie, and then come back to this article on the internet (or not, because if you do the first two things my job will already be done).
I’ve read The Talented Mr. Ripley a number of times, and with each reading I see it in a slightly different light—one reliable quality of good literature. This year, it felt more than anything like a coming of age story—it’s only that the person Tom Ripley comes of age into is someone other than himself. Of course, many novels feature character arcs, moral and psychological sea changes, evolutions and devolutions. But there is something particular about the coming of age novel, in which a young protagonist comes into his or her own, often through fire. They become, by the end, the person they were always meant to be. In Tom Ripley’s case, that person is Dickie Greenleaf.
But let’s look at the text—starting with the first paragraph, which is always the best place to start. We begin in New York City, with Tom’s paranoia:
Tom glanced behind him and saw the man coming out of the Green Cage, heading his way. Tom walked faster. There was no doubt the man was after him. Tom had noticed him five minutes ago, eyeing him carefully from a table, as if he weren’t quite sure, but almost. He had looked sure enough for Tom to down his drink in a hurry, pay and get out. ... [mehr] https://lithub.com/a-close-reading-of-the-talented-mr-ripley-as-coming-of-age-story/


Siegfried Kracauer: Neues DFG-Erschließungsprojekt im DLA Marbach

Die Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs hat mit Förderung der DFG ein umfangreiches Erschließungsprojekt begonnen. Neben der Katalogisierung der Autorenbibliothek von Siegfried Kracauer entsteht eine umfassende digitale Personalbibliografie zu diesem wichtigen Exilautor, dessen Nachlass seit 1972 im DLA Marbach ist. Ziel des 22 Monate dauernden Projektes ist es, den Zugang zu Quellen und Sekundärliteratur für die Forschung zu verbessern. Der Bestand der rund 3.700 Bände umfassenden Autorenbibliothek wird im OPAC mit Provenienzen und  Exemplarspezifika nachgewiesen.

Neues in bavarikon

In bavarikon, das Internetportal des Freistaats Bayern zur Präsentation von Kunst-, Kultur- und Wissensschätzen aus Einrichtungen in Bayern, wurden u. a. folgende Angebote neu eingestellt:
 

20 Jahre Washingtoner Prinzipien: Universität Mainz legt Open-Access-Publikation „Nicht nur Raubkunst!“ vor

Die Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien am 03.12.1998 zählt zu den zentralen kulturpolitischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts: 44 Staaten verpflichteten sich zu dem Grundsatz, während der NS-Zeit beschlagnahmte Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ offener Fragen und Probleme im Zusammenhang mit jenen Kunstwerken zu finden. In Deutschland wurde damit der fast in Vergessenheit geratene NS-Kunst- und Kulturgut¬raub wieder auf die Tagesordnung gesetzt und in den Folgejahren erfolgten verschiedene Maßnahmen zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien. Seit Kurzem geraten auch Kulturgüter, die im Rahmen der Kolonialisierung nach Europa verbracht wurden, in den Fokus der öffentlichen Debatte – insbesondere unter dem Eindruck der kontroversen Diskussionen um das Berliner Humboldt-Forum und nach dem gerade von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy vorgelegten Bericht zur „Restitution von afrikanischem kulturellem Erbe“.
An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist nun unter dem Titel „Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen“ eine Publikation erschienen, die sich mit NS-Raubkunst und kolonialen Sammlungen gleichermaßen befasst und darüber hinaus deutlich macht, dass öffentliche Sammlungen viele weitere Dinge bewahren, die heute aus ethischen Gründen als sensibel eingestuft werden. Dazu zählen etwa sterbliche Überreste aus Gewaltkontexten, religiöse Artefakte, illegal gehandelte Antiken, unter den Artenschutz fallende Naturalia, rassistische Schriften und vieles andere mehr. Der Band beruht auf einer von der VolkswagenStiftung finanzierten wissenschaftlichen Tagung und wurde von der Ethnologin Dr. Anna-Maria Brandstetter, Kuratorin der Ethnografischen Studiensammlung an der JGU, und der Historikerin Dr. Vera Hierholzer, Leiterin der Sammlungskoordination der JGU, herausgegeben.

Veröffentlichung:
Anna-Maria Brandstetter und Vera Hierholzer (Hg.): Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht / Mainz University Press 2018.

Der Band ist für 50 Euro im Buchhandel erhältlich und als Open-Access-Publikation zugänglich unter https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/downloads/openAccess/OA_978-3-8471-0808-5.pdf .


via https://idw-online.de/de/news706894

Leibniz-Einrichtungen in Berlin, Hannover, Frankfurt am Main, Trier und Dresden evaluiert

Die Förderung von fünf Leibniz-Einrichtungen soll fortgeführt werden. Das hat der Senat der Leibniz-Gemeinschaft gestern nach Abschluss der regelmäßigen wissenschaftlichen Evaluierung beschlossen. Bei allen fünf Einrichtungen soll die erneute Überprüfung der Fördervoraussetzungen nach dem Regelturnus von sieben Jahren erfolgen, so die Empfehlung des Leibniz-Senats an Bund und Länder.
Folgende Leibniz-Einrichtungen wurden evaluiert:
- Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH
- Technische Informationsbibliothek – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften, Hannover
- DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Frankfurt am Main und Berlin
- Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation, Trier
- Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden


Die einzelnen Senatsstellungnahmen finden sich im Wortlaut auch auf den Internetseiten der Leibniz-Gemeinschaft unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/evaluierung/

via https://idw-online.de/de/news706871 

E-Book-Plattform EBSCO ausgezeichnet


EBSCO Information Services (EBSCO) wurde unter 54 E-Book-Plattformen, die im Rahmen des Jisc ASPIRE Accessibility National Audit 2018 geprüft wurden, zum besten Anbieter gekürt. Die Auszeichnung würdigt Unternehmen, die sich für einen verbesserten Zugang zu digitalen Plattformen und Informationen für Endnutzer, Bibliothekare und Servicegruppen für Menschen mit Behinderungen einsetzen. Das Projekt ASPIRE (Accessibility Statements Promoting Improved Reading Experience) arbeitet daran, den Zugang zu digitalen Produkten zu verbessern, indem Verlage und Plattformanbieter dazu ermutigt werden, ihren Nutzern klare und zentrale Leitfäden zur Verfügung zu stellen und die Nutzerfreundlichkeit ihrer Produkte kontinuierlich zu optimieren.

"Contract for the Web": Das Internet als öffentliches Gut und Grundrecht

Am 28. November 2018 haben Digitalisierungsministerin Dorothee Bär und Justizministerin Katarina Barley die Prinzipien des «Contract for the web« unterzeichnet. Die Bundesregierung verpflichtet sich damit, die Grundsätze dieses Vertrages einzuhalten. Dazu gehört laut Bundesregierung unter anderem sicherzustellen, dass sich jeder Mensch zu jeder Zeit mit dem Internet verbinden könne und das Grundrecht auf Schutz seiner Privatsphäre respektiert werde. »Das Internet ist ein öffentliches Gut. Der Zugang dazu muss allen Menschen offenstehen«, erklärte Barley laut »Golem« anlässlich der Unterzeichnung. 
Medienberichten zufolge geht der »Contract for the Web« zurück auf den www-Erfinder Tim Berners-Lee und der von ihm im Jahr 2008 gegründeten World Wide Web Foundation. Bis Mai 2019 sollen die Prinzipien zu einem Vertrag ausgearbeitet und dieser publiziert werden. Laut Bundesregierung ein symbolischer Termin, da bis dahin mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung online sein soll. 

Dokumente:

Institutionen:

via http://www.urheberrecht.org/news/6137/

BGH zur Zulässigkeit der Entfernung von Kunstinstallationen in einem Museum

Der BGH hat am 29. November 2018 darüber verhandelt, ob ein Künstler mithilfe des Urheberrechts verhindern kann, dass sein mit einem Museum fest verbundenes Kunstwerk entfernt bzw. vernichtet wird (Az.: I ZR 98/17 und I ZR 99/17). 
Die Klägerin möchte mit ihren Klagen verhindern, dass ihre eigens für das Museum angefertigten und untrennbar mit dem Museum verknüpften Kunstwerke abgebaut bzw. nicht mehr aufgebaut werden. Die Lichtinstallation »PHaradise« war im Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim errichtet worden. Die Installation »HHole for Mannheim« erstreckte sich über alle sieben Raumebenen des Athene-Traktes der Kunsthalle Mannheim. Im Zuge von Sanierungs- und Umbauarbeiten in der Kunsthalle waren die Installationen nicht zu erhalten und mussten abgebaut werden.
Vor dem OLG Karslruhe hatte die Klägerin keinen Erfolg (ZUM-RD 2017, 609 - Volltext bei beck-online; vgl. auch Meldung vom 2. Mai 2017). Unter Abwägung der Interessen müssten im Fall der vollständigen Zerstörung oder Entfernung des Kunstwerks die Interessen der Klägerin als Urheberin gegenüber denen der Stadt Mannheim als Eigentümerin des Gebäudes zurücktreten.
Beobachter erwarten, dass der BGH nun klärt, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Eigentum auflösen lässt. 

Dokumente:

Institutionen:

1,58 Milliarden Euro für Kultur und Medien

Am 21.11.2018 fand im Deutschen Bundestag die zweite, abschließende Lesung des Haushaltsentwurfs 2019 für den Etat der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts statt. Etwa die Hälfte der geplanten Ausgaben in diesem Etat sind für die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Staatsministerin Professor Monika Grütters (CDU), vorgesehen, nämlich 1,58 Milliarden Euro (2018: 1,5 Milliarden Euro).
  • Auf den größten Einzelposten des Etats, die Deutsche Welle, entfallen 356,15 Millionen Euro (2018: 333,2 Millionen Euro).
  • Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erhält als zweitgrößte Position im Etat 294,43 Millionen Euro (2018: 276,11 Millionen).
Bei der Debatte zum Etat der Kulturstaatsministerin wurde deutlich, dass Geld aber nicht alles ist.
  • Erhard Grundl, MdB (Bündnis90/Die Grünen) sprach die zentrale Frage an, wie es denn um die Freiheit der Kunst in unserem Land bestellt ist. Er diagnostizierte, dass die Meinungsfreiheit und die kritische Kunst von Rechts massiv bedroht wird.
  • Kartin Budde, MdB (SPD) sagte: „Kulturpolitik heißt nicht Vorgaben machen, sondern Möglichkeiten eröffnen.“ Recht hat sie.
  • Gitta Connemann, MdB (CDU/CSU) setzte sich mit Nachdruck für mehr Kunst auch außerhalb der Bundeshauptstadt ein. Sie fragte in Bezug auf den geplanten Neubau des Museums der Moderne mit Bundesmitteln in Berlin: „Warum kann ein Museum der Moderne nicht in Bochum stehen?“
  • Und Hartmut Ebbing, MdB (FDP) forderte mehr Zeit für Kulturdebatten im Bundestag.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Der Kulturbereich wird immer deutlicher von rechts bedrängt. Gut, dass in der Debatte zum Haushalt der Kulturstaatsministerin ein Abgeordneter darauf unmissverständlich hingewiesen hat. Auch wurde in der Debatte kritisiert, dass die zunehmende Konzentration von Kulturausgaben auf die Bundeshauptstadt zu einer problematischen Unwucht zu Lasten des großen Restes des Landes führt. Und wieder einmal war die Debatte zum Kulturetat so kurz, dass kein Abgeordneter seine Gedanken wirklich sinnvoll ausführen konnte. Kulturpolitik ist zu wichtig, um sie als Anhängsel bei der Generaldebatte zur Politik der Bundeskanzlerin mit zu behandeln. 1,58 Milliarden Euro für Kultur und Medien auf Bundesebene sind super und trotzdem, das wurde in der Debatte deutlich: Geld ist nicht alles!“ 

Quelle: Deutscher Kulturrat 29.11.2018 

Zerstörung des Graphischen Viertels in Leipzig vor 75 Jahren

Am 4. Dezember jährt sich die Zerstörung des Graphischen Viertels in Leipzig zum 75. Mal. Damals wurde das Zentrum des deutschen Buchgewerbes in knapp zwei Stunden (Fliegeralarm: 3:39 Uhr; Entwarnung: 5:32 Uhr) von Spreng- und Brandbomben in Schutt und Asche gelegt. Mehr als 1.800 Menschen starben in dieser Nacht, 114.000 Leipzigerinnen und Leipziger wurden obdachlos, 15.000 Gebäude getroffen. Die größten Verlagshäuser – unter ihnen der F. A. Brockhaus Verlag, der Verlag Philipp Reclam jun. und Breitkopf & Härtel, der älteste Musikverlag der Welt – brannten aus und mit ihnen geschätzt 50 Millionen Bücher. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum, ältestes Buchmuseum der Welt, war eine Ruine, der Sitz des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zerstört, die Deutsche Bücherei schwer getroffen: Leipzig büßte mit dem alliierten Bombenangriff seinen jahrhundertealten Ruf als „Buchstadt“, den bereits der Erste Weltkrieg gründlich erschüttert hatte, endgültig ein.
Arthur Luther, Literaturwissenschaftler, Überlebender des Bombenangriffs und Abteilungsleiter in der Deutschen Bücherei, schrieb am 4. Dezember 1943 in sein Tagebuch: „Fliegergeräusch… Da stürzt mit furchtbarem Krach die Decke ein, ich falle auf den Rücken… Brille weg, Hut weg…Endlich hört das Krachen und Schießen auf. Wir wagen uns hinaus. Erster Eindruck-Flammen überall und schreiende Menschen. Ich gehe in die Bücherei. Der Ostflügel stark mitgenommen. Alle Fenster zertrümmert. Aus dem Kellergeschoß steigt Rauch auf. Die Fensterrahmen im Ostflügel nach dem Deutschen Platz zu ausgebrannt. Der große Lesesaal voller Scherben, Schutt und Trümmer. Die Wandgemälde von L. Hofmann nicht mehr vorhanden. Da kein Fenster heil, eisige Kälte im ganzen Gebäude. Postamt, Museum, Universität, Oper in Flammen oder in Trümmern. Der Brühl vernichtet, das Alte Theater eine Ruine… Vor allem aber das ganze Buchhändlerviertel „wegrasiert“: alle großen Verlage, alle Großdruckereien, Buchhändlerhaus, Buchmuseum usw.“
Dieses „Buchmuseum“, das heutige Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek, hatte seine Räume im repräsentativen Buchhändlerhaus, in denen das Museum drei Jahre zuvor den 400. Geburtstag des „deutschen Helden“ Johannes Gutenberg gefeiert und ideologisch instrumentalisiert hatte. Das Museum verlor in der Nacht zum 4. Dezember neun Zehntel seiner Bestände. Die kostbarsten Stücke konnten kurz zuvor ins Erzgebirge ausgelagert werden, überdauerten dort den Krieg und wurden in den ersten Nachkriegsmonaten von der sowjetischen Armee nach Moskau verbracht, wo sie noch heute liegen.
Den 75. Jahrestag der Bombardierung des Graphischen Viertels nimmt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum zum Anlass, mit zwei Projekten an die Zerstörung zu erinnern:
Zum einen stellt das Museum eines der wenigen Objekte, die Anfang Dezember 1943 mit Schmauchspuren aus der Asche des Buchhändlerhauses geborgen werden konnten, ins Zentrum einer Installation: Es handelt sich um einen mehrere hundert Kilogramm schweren Granitstein mit etwa 3.000 Jahre alten chinesischen Schriftzeichen. Die sogenannte Steintrommel, deren Absplitterungen und Brandspuren noch heute von der Zerstörung zeugen, steht Anfang Dezember dieses Jahres im Fokus der „GNDCon“ in Frankfurt am Main – einem Kongress, der auf das Prinzip offener, kooperativ erarbeiteter und vernetzter Normdaten als Orientierungspunkte im Internet zielt und die Zusammenarbeit mit Online-Communities, Museen, Archiven, Verlagen und Hochschulen fördern möchte – ein Stück Zukunft für die kooperative Erschließung auch des musealen Kulturerbes. Die Steintrommel steht in diesem Kontext für ein herausragendes Beispiel einer überaus reichen, interdisziplinären Wissenswelt, die sich im Brennglas eines einzigen Objektes bündelt. Ab Anfang 2019 steht das Exponat wieder in der Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig – angereichert und präsentiert in einer Wolke aus interdisziplinären Metadaten, die das vielschichtige Objekt erläutern und kontextualisieren.
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit einem Rückblick auf Leipzig als der “Hauptstadt des Buches“ am Anfang des 20. Jahrhunderts. Dazu wurden 2.200 Firmenstandorte im Graphischen Viertel aus dem Leipziger Adressbuch von 1913 in eine Datenbank übertragen. In Kooperation mit dem Amt für Geoinformation und Bodenordnung, Abteilung Digitale Kartographie der Stadt Leipzig sind diese Daten für die Darstellung auf einer digitalen Karte aufbereitet worden. Zum Jahrestag der Zerstörung des Buchhändlerviertels wird die Karte auf www.leipzig.de freigeschaltet und Anfang Dezember auf dem 2. Digital Humanities Day des Forums für Digital Humanities Leipzig und der Akademie der Wissenschaften zu Leipzig vorgestellt.
Noch heute sind im ehemaligen Leipziger Buchhändlerviertel Spuren des Krieges sichtbar: Große Brachflächen und verfallene Häuserruinen erinnern an die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Vor allem aber begegnen dem heutigen Besucher zahlreiche neue Bauprojekte, zum Teil unter Einbeziehung historischer Gebäudereste – wie beim Wiederaufbau des ehemaligen Buchgewerbehauses. 

Quelle: Deutsche Nationalbibliothek 29.11.2018