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Freitag, 17. August 2018

Die Hobbits stiegen aus den Schützengräben – Oxford erinnert an J. R. R. Tolkien und sein Werk / Paul Ostwald In: NZZ 12.08.2018

Am 25. Oktober 1916 beginnt Unteroffizier John Ronald Reuel Tolkien zu fiebern. Schweissperlen laufen ihm über das vom Matsch der nordfranzösischen Kampfzone verdreckte Gesicht, während ein Frontsanitäter fast 40 Grad Körpertemperatur misst. Seit Wochen eilt das 11. Regiment der Lancashire-Füsiliere nun von Schlacht zu Schlacht durchs Tal der Somme. Eine dunkle Welt voller fabelhafter Wesen flimmert vor Tolkiens Augen, während der Kommandant seinem Rücksendungsgesuch stattgibt.
Als am Morgen des 28. Oktober sein langer Transport nach Hause beginnt, webt der junge Mann im Halbdunkel die ersten Fäden jener mythologischen Welt «Mittelerde» zusammen, die ihn sein Leben lang begleiten wird. Noch auf dem Weg ins Lazarett verfasst er mit dem «Fall von Gondolin» seine erste Erzählung. Es ist ein Krieg, der Tolkien einen grossen Teil seiner Jugendfreunde rauben wird. Doch es ist auch der Krieg, aus dem die Moderne entspringt – und Tolkien ist es, der die Magie vergangener Tage in sie hinüberrettet.
Etwas scheu, als wäre sie von ihrem selbstgeschaffenen Tolkien-Universum beinahe überwältigt, läuft Catherine McIlwaine durch die Ausstellungssäle der Oxforder Bodleian Library. Über fünf Jahre hat die Tolkien-Archivarin der Universität an der Sammlung gearbeitet, über die Rückführung von Manuskripten aus amerikanischen Universitäten verhandelt und das schier unendliche Archivmaterial aufbereitet. «Seit 1992 hat es in England keine Ausstellung mehr zu Tolkien gegeben, eine solche auf dem neusten Stand der Forschung war längst überfällig», meint sie. Es ist die bisher umfassendste geworden.


Der Tag, als er sich in der Bodleian Library als Benutzer registrieren liess, war Tolkien einen Bericht an seine Verlobte Edith wert. «Um 11 Uhr», so schrieb er, «zog ich meinen Talar an und wappnete mich für eine Prüfung, die ich lang vor mir hergeschoben habe: nämlich mich an der Bodleian Library registrieren zu lassen und den Eid abzulegen. Ich wurde freundlicher empfangen, als ich erwartet hatte – zu manchen Leuten sind sie ausgesprochen grob –, und ging dann zur Radcliffe Camera [dem öffentlichen Lesesaal der Bibliothek], um mich dort einzuschreiben. Du kannst Dir nicht vorstellen, mein Kleines, welch ein ehrfurchtgebietender und glänzender Ort diese Bibliothek voll wunderbarer Manuskripte und unbezahlbarer Bücher ist.» (Bild: The Tolkien Trust 2018)

Der Tag, als er sich in der Bodleian Library als Benutzer registrieren liess, war Tolkien einen Bericht an seine Verlobte Edith wert. «Um 11 Uhr», so schrieb er, «zog ich meinen Talar an und wappnete mich für eine Prüfung, die ich lang vor mir hergeschoben habe: nämlich mich an der Bodleian Library registrieren zu lassen und den Eid abzulegen. Ich wurde freundlicher empfangen, als ich erwartet hatte – zu manchen Leuten sind sie ausgesprochen grob –, und ging dann zur Radcliffe Camera [dem öffentlichen Lesesaal der Bibliothek], um mich dort einzuschreiben. Du kannst Dir nicht vorstellen, mein Kleines, welch ein ehrfurchtgebietender und glänzender Ort diese Bibliothek voll wunderbarer Manuskripte und unbezahlbarer Bücher ist.» (Bild: The Tolkien Trust 2018)


Wer die verwinkelte Ausstellung betritt, wähnt sich in ein futuristisches Mittelerde versetzt. Hightech-Bildschirme vermitteln die altertümliche Magie von Tolkiens Zeichnungen. Hinter Glas liegt ein aufgeschlagenes Büchlein mit zwei Aquarellen. Es ist ein Exponat aus Tolkiens frühen Jahren in Oxford, das «Book of Ishness» (Buch der Haftigkeiten). Die kleinen Bilder auf den gegenüberliegenden Buchseiten tragen die Titel undertenishness (Unterzehnhaftigkeit) und grownupishness (Erwachsenhaftigkeit). Während die undertenishness mit einer bunten Heidelandschaft unter roten Bäumen symbolisiert wird, zeigt die grownupishness einen Akademiker, der im Stress seiner Verpflichtungen unterzugehen scheint. ... [mehr] https://www.nzz.ch/feuilleton/die-hobbits-stiegen-aus-den-schuetzengraeben-oxford-erinnert-an-j-r-r-tolkien-und-sein-werk-ld.1409495

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